Johann Georg Elser und Max Josef Metzger – eine Spurensuche in Konstanz

31.03.10 In eigener Sache – Auf Spurensuche von Johann Georg Elser und Max Josef Metzger in Konstanz

Gebhardstrasse 6

Ausgestellt auf die Gebhardstr. 6

Im November 2009 wurde die Porträtbüste von Johann Georg Elser (4.1.1903-9.4.1945) an der Schwedenschanze in Konstanz enthüllt. Elser verübte am 8. November 1939 das Attentat im Münchener Bürgerbräu-Keller und wurde in Konstanz an der Grenze zur Schweiz gefasst.  Georg Elser verbrachte einige Zeit in Konstanz und wohnte unter anderem in der Gebhard-Straße Nr.4 zur Untermiete und seine Freundin Mathilde Niedermann lebte in Haus Nr.25 über der Gaststätte „Bilgerbräu“ (← Bilder bei alt-konstanz.de … interessant: dort wohnte später Karl Karrer, der auf dieser Seite erwähnt wird als Maler), in der sie arbeitete. Mit ihr zeugte er sein einziges Kind Manfred. Augusta Karolina Stößel geb. Karrer (11.9.1900-12.12.1967) und ihr Mann Gustav Adolf Rudolf Stößel (24.11.1889-30.03.1967) wohnten zu jener Zeit nebenan im 1. Stock der Gebhardstrasse 6.  Beide waren Mitglieder des Konstanzer Zither-Clubs und Rudolf Stößel hatte die musikalische Leitung des Clubs. Er gab auch Georg Elser auf dessen Bitte hin Unterricht im Spielen der Zither. Der Zitherclub traf sich regelmäßig im „St. Johann“ und in der damaligen Gaststätte „Schützen“ am Zähringerplatz 36, welches ebenfalls einem Neubau weichen mußte. Georg Elser und meine Großeltern kannten sich somit gut und spielten geraume Zeit zusammen. Nach Georg Elsers Verhaftung waren dann „Gäste“ anderer Art mit vielen „Fragen“  des Öfteren bei meinen Großeltern zu Besuch, wie man sich denken kann. Auf der Seite http://www.georg-elser-arbeitskreis.de habe ich das 2. Vernehmungsprotokoll vom 20.11.39 10.00 Uhr von Georg Elser gefunden (Hinweis: hier das → Gestapo-Protokoll online lesen).  Auszug der Aussage Elsers:

…In Konstanz nahm ich bereits aus reinem Interesse an der Musik und besonders am Zitherspiel Privatstunden, um dieses Instrument zu erlernen. Ich ging zu einem Musiklehrer, der, wenn ich mich nicht täusche, Hardegen oder so ähnlich hieß, bezahlte für Alleinstunden 1,50 RM und habe bei ihm vielleicht 25-30 Stunden genommen. Dann habe ich den Lehrer gewechselt. Warum ich dies getan habe, weiß ich heute nicht mehr genau. Ich habe jedenfalls von da ab meine Zitherstunden beim Vorstand des Zitherclubs, Stössel, genommen. Es kann sein, dass ich in dem Augenblick gewechselt habe, als ich in den Zitherclub eingetreten war. Auch bei Stössel, bei dem die Stunde 2,- RM kostete, habe ich ungefähr 25-30 Stunden genommen. Dann habe ich, trotzdem ich weiter im Zitherclub blieb, keine Stunden mehr genommen, da es mir um das Geld war…

Jetzt sind mir auch die unerwünschten „Besuche“, von denen mein Vater berichtete, einleuchtend.

Eine Geschichte meiner Großeltern ist mir noch im Gedächtnis, die ich nicht beweisen kann und nicht näher eingehe. Es handelt sich um den Abend vor seiner Verhaftung. Und hier sprechen die angeblich gefundene Fahrkarte von Friedrichshafen nach Konstanz sowie das Vernehmungsprotokoll dagegen. Ich habe die Protokolle noch einmal genauer gelesen. Mein Hauptaugenmerk galt besonders der Verbindung von Friedrichshafen nach Konstanz mit dem Dampfschiff. Und hier fällt mir bei den Zeitabläufen vom 08.11.39 etwas auf. Laut Protokoll:
Etwa um 21 Uhr kam der Dampfer, der wegen Nebels Verspätung hatte, in Konstanz an. Ich wollte, ohne irgendwelchen Aufenthalt zu nehmen, auf dem möglichst direkten Wege die Grenze nach der Schweiz überschreiten
Die Verhaftung erfolgte jedoch bereits um 20.45 Uhr an der Schwedenschanze. Ein Fußweg von ca. 10-15 Min. ab dem Hafen müsste noch mit eingerechnet werden. Das entspräche einer Abweichung von etwa 30 Minuten. Fast unglaublich bei den damals akribischen Ermittlungen.  Meiner Meinung nach kam er mit einem Schiff früher an.  Wieso diese vage Aussage „etwa um 21 Uhr“ – eine Taschenuhr hatte er jedenfalls bei sich, denn er verglich laut Protokoll noch die Genauigkeit des Zeitzünders im Bürgerbräukeller mit seiner Uhr an diesem Tag. Desweiteren frage ich mich, weshalb die Hausnummern in der Gebhardstraße, wo Johann Georg Elser wie auch Mathilde Niedermann wohnten, mit Fragezeichen im Protokoll versehen sind. Auszug:

…In Konstanz wohnte ich zunächst Inselgasse 15 bei Braster und anschließend nacheinander in folgenden weiteren Wohnungen: Gebhardstraße Nr.? bei Frau Stadel (oder Stadler), dann Fürstenbergstraße 1 bei Niedermann…

…Ich hatte dort nacheinander die Bekanntschaft von mehreren jungen Mädchen gemacht, so dass meine Zeit ausgefüllt war. An einige, mit denen ich länger gegangen bin, kann ich mich namentlich erinnern. Sie hießen: Mathilde Niedermann, damals in der Gebhardstraße Nr.? in Konstanz wohnhaft, Hilda Lang, Hussenstraße (?) in Konstanz. Die Niedermann war ein Servierfräulein und die Lang eine Modistin…

Zitherclub

Zitherclub Konstanz um ca. 1935

Das Bild kann ich nicht genau datieren. Die 2. Person von rechts sitzend, Elisabeth von Derschau, *13.05.1915-04.04.2011†, heiratete Heinrich Karrer, Ur-Enkel von Napoleon iii. Auf meine Frage hin, ob sie Elser gekannt habe, bejahte sie dies, jedoch sei dies schon so lange her, dass sie sich nicht mehr an alles erinnern kann. Mitte sitzend Herr Nägele, Dritte Frau von links sitzend Augusta Carolina Stössel, geb. Karrer, Ur-Enkelin von Napoleon iii; stehend Vierter von links Musiker, Komponist und Stadtkapellmeister Gustav Rudolf Stössel. Ohne Zuordnung: Herr und Frau Ohlenschläger, Georg Stingl, Fritz Bechinger (Behringer?), Franz Pfeffer (der Jüngste mittig mit Zither), Herr Beron, Herr Martin, Herr Rothmund, Frau Stuhler.

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Aber Konstanz hat noch einen anderen Märtyrer in seiner Stadtgeschichte beherbergt, an den noch ein nach ihm benannter Weg erinnert. Ich arbeitete bis zu seiner Schließung im Jahre 1999 am traditionsreichen erzbischöflichen Studienheim St. Konrad – kurz genannt Konradihaus, in dem auch Kardinal Augustin Bea von 1897 bis 1898 seine Schulzeit verbrachte. In 1999 erstellte ich eine Chronik des Hauses und veröffentlichte diese im Netz (← zur Chronik). Bei der Durchsicht im Archiv, bevor alles verloren geht, sichtete ich eine Abschrift des Todesurteils von Max Josef Metzger, Martyrer-Priester, geb. am 3.2.1887 in Schopfheim und  aufgrund der ausgesprochenen Todesstrafe hingerichtet am 17.4.1944, welcher – wie die Chronik besagt – in den Jahren von 1902-1905 sein Abitur  in Konstanz machte und im erzb. Gymnasial-Konvikt Sankt Konrad lebte. Max Josef Metzger hat in vielen Städten Gedenktafeln – nur in Konstanz an dem ehemaligen Konradihaus in der Theatergasse 4 konnte ich keines finden. Erwähnt sei noch die damals enge Verbundenheit des Konradihauses mit dem humanistischen Heinrich-Suso-Gymnasium.

Original Todesurteil Max Josef Metzger durch FreislerTodesurteil Max Josef Metzger

Zum Vergrößern auf das Bild klicken. Vorsitzender (Hin-)Richter damals: Dr. Roland Freisler.

Im Jahre 2006 wurde das Seligsprechungsverfahren für Metzger eingeleitet und soll nun schnell seinen Abschluss finden.

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Für einen Anderen ist es jetzt zu spät, um ihm eine Würdigung zu erweisen. Ich rede von Wilhelm von Scholz (15.07.1874 in Berlin – 19.05.1969 in Konstanz) war ein deutscher Schriftsteller sowie Lyriker, Dramatiker, Schauspieler, Herausgeber, Erzähler und Übersetzer. Auch er verhalf in jener schweren Zeit vielen zur Flucht in die Schweiz. Man hat es schlichtweg versäumt (oder nicht wollen) den letzten, verbliebenen Zeitzeugen zu vernehmen. Weshalb auch immer. Wie mir mitgeteilt wurde, verstarb vor wenigen Wochen diese Person und jegliche Beweise sind somit unwiderruflich dahin. Auch wenn die kollaboristische Haltung zum damaligen Regime Herrn Scholz vorgeworfen wurde, so denke ich, hat er dennoch in aller Stille auf seine Weise geholfen. Er bewohnte lange Zeit das Familiengut Schloss Seeheim (Villa Scholz) am See und hatte die Möglichkeit, Flüchlinge ans schweizer Ufer zu bringen. Die Stadt Konstanz wollte sein Grab abräumen, jedoch steht es jetzt unter Denkmalschutz. Übrigens: das Anwesen Schloss Seeheim war von 1817-1834 im Besitz von Hortense de Beauharnais. Sie bewohnte es nur etwa ein Jahr bevor sie mit Louis (Napoleon III.) nach Arenenberg ziehen musste.

Rolf Hochhuth meldete sich aufgebracht zu Wort und hat die Kosten übernommen. Er sagte auch, daß Scholz immerhin damals einigen Verfolgten die Flucht in die Schweiz ermöglicht habe. Ausführlich zu lesen unter „Der Spiegel„.

Weiterer Artikel „Dichterspuren tilgen – moralischer Irrsinn in Müllheim und Konstanz“ unter:http://www.noth.net/hermann-burte/hermann-burte-strasse.htm

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Unbekannte Werke des Konstanzer Malers Hans Breinlinger (08.07.1888-10.02.1963), Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Im 3. Reich galten seine Werke als entartet und wurden aus dem öffentlichen Besitz 1937 entfernt. Mehr unter Wikipedia. Hier 2 Werke aus meinem Besitz, welche in den 50er Jahren als Geschenke für Gefälligkeiten aus Bekanntschaft an unsere Familie ergingen.

breinlinger4Bildnis in Öl Madonna, Hans Breinlinger ´54, 39cm x 18cm

breinlinger3Bäuerin, Hans Breinlinger ´54, 10,5cm x 14,7 cm